Zwangsbefürchtungen

Nicht immer sind sich an Zwängen Leidende darüber völlig im Klaren, ob ihre Befürchtungen gänzlich unsinnig sind. Ausgeprägte Zwangsvorstellungen, verbunden mit argen Zwangsängsten lassen die Einsicht über Unsinnigkeit von Gedanken und Handlungen oft nicht so richtig zu. Vor allem in der problematischen Situation tauchen gerne Zweifel auf. Heisst die Zwangserkrankung nicht umsonst auch die Krankheit des Zweifels.

Nun gibt es auch noch die Problematik der überwertigen Ideen, Fachleute sprechen von „overvalued ideas“, hier haben Betroffene ausgeprägte Schwierigkeiten, die Sinnlosigkeit von Zwangsvorstellungen zu erkennen.

Nur Mut, Hilfe gibt es immer. Vertraut euren kompetenten Therapeuten!

Liebe Grüße von Ulrike S.

… „das Ergriffenwerden lässt sich nicht erzwingen oder bewusst herbeiführen, es lässt sich nicht „machen““.

»Wenn jemand gestern bei einem Sonnenuntergang auf der Parkbank ein solches tief ergreifendes Seelenerlebnis hatte, so kann es sein, dass er heute auf der gleichen Bank sitzt und bei einem nahezu gleich schönen Sonnenuntergang gar nicht viel empfindet. Und je mehr er sich bemüht, desto geringer werden seine Chancen, tatsächlich ergriffen zu werden: Um seelisch tiefes Erleben kann man sich nicht bemühen. Ja, Anstrengung und Ergriffenwerden schließen sich geradezu aus. Wir können es allenfalls zu-lassen, unsere Kontrolle los-lassen und wenn wir ergriffen werden, uns darauf ein-lassen.
Ergriffen sein lässt sich nicht be-wirken, es kann nur wirken.
Es lässt sich nicht fassen, es kann uns nur er-fassen.
Es lässt sich nicht fest-halten, wir können es nur aus-halten«
von Münchhausen, Marco, Dr.: Wo die Seele auftankt. Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren. Frankfurt/Main: Campus, 2004, S. 29f

von Münchhausen, Marco, Dr.: Wo die Seele auftankt. Die besten Möglichkeiten, Ihre Ressourcen zu aktivieren. Frankfurt/Main: Campus, 2004, S. 29f

Oben zitierte Zeilen finde ich sehr passend für unsere Seite, da sich sehr viele Betroffene selbst immer wieder vorwerfen, zu wenig Gefühle für z.B. Partner oder Kinder zu empfinden. Sie belasten sich mit Fragen wie „liebe ich meinen Partner/meine Kinder auch wirklich genug?“ „Müsste ich nicht in gewissen Situationen mehr bzw. anders empfinden?“
Liebe(r) Betroffene(r), Du befindest Dich in einem Ausnahmezustand. Durch ständig wiederkehrenden Stress, innere Unruhe, Angst, … kann es Dir nicht möglich sein, besondere Gefühle der Liebe oder sogar die bekannten „Schmetterlinge im Bauch“ zu spüren. Auch wenn Du noch so darauf wartest. Niemand auf dieser Welt kann das erreichen! Aber umso weiter Du mit der Therapie fortgeschritten bist, desto mehr erwachen Deine Gefühle aus dem Winterschlaf – sie tauen wie Eiszapfen langsam auf, beginnen wieder zu fließen und spenden Dir wie ein Kraftwerk immer wieder neue Energie. Vertraue auf Dich! Ich weiß, es ist schwer, aber ich weiß auch, dass es funktioniert, denn ich spreche aus Eigenerfahrung. Bleib dran, es zahlt sich aus!
Alles Liebe – Theresa

P.S.: Das gesamte Buch zu lesen, rate ich Dir allerdings erst nach erfolgreich abgeschlossener Therapie.



Wer weiß was „ZWANG“ ist?

Erfahrungsbericht von Margit P.

In einem Wörterbuch fand ich die Erklärung: Beeinflussung von Handlungen durch äußere Gewalt oder Androhung von Gewalt.
Wer Zwang ausübt setzt andere unter Druck, terrorisiert sie, nötigt sie, bestimmte Dinge zu tun und macht den anderen durch Gewalt von sich abhängig.
Ja, ich kenne jemanden, der das mit mir tut. Und nein, es ist kein böser Mensch, es ist ein Monster. Ein unsichtbares Monster, ein Monster für mich allein. Dieses Monster bedroht mich. Wenn ich mich seinen „Anweisungen“ nicht füge, geht es mir schlecht. Mir wird schwindlig, ich bekomme Magenschmerzen, Atemnot, Herzrasen. Die körperlichen Beschwerden gehen einher mit nervlichen und seelischen Anspannungen, die so schlimm sind, dass man bereit ist alles zu tun, damit diese Anspannungen aufhören und die Beschwerden nachlassen.
Dieses Monster terrorisiert mich, nötigt mich, nach seiner Pfeife zu tanzen. Tue ich das nicht, dann spüre ich seine Macht und mir geht es sehr schlecht. Wenn ich es dann nicht mehr aushalten kann und nachgebe, wird es stärker und stärker und verlangt mehr und mehr. Ein Teufelskreis! Irgendwann bestimmt dieses „Es“ einfach alles. Was ich tun und lassen muss, was ich noch einmal und noch einmal machen muss, was ich ordnen muss, was und wie oft ich etwas kontrollieren muss, ja sogar was ich denken muss.
Als ich an diesem Punkt in meinem Leben angekommen war, war ich in einem so verzweifelten Zustand, dass ich keinen Sinn in meinem Leben gesehen habe. Warum kann mich nicht ein Blitz treffen und alles ist vorbei?…
Aber da traf ich auf einen Zeitungsartikel, der von einer Frau berichtete, der es ebenso ging. „Du bist nicht allein mit deinem Problem!“ Das war der Schlüssel! Ich begann Kontakt zu anderen zu suchen und gleichzeitig habe ich eine Psychotherapie begonnen. In der Therapie lerne ich die Ursachen zu finden und mein Verhalten zu ändern. Ich lerne mein Leben wieder aufzunehmen und Spaß am Leben zu haben. Ich lerne meine Bedürfnisse, Wünsche, Träume zu erkennen und meine Gefühle nicht nur zuzulassen, sondern zu spüren. Die Therapie unterstütze ich mit Medikamenten, denn ich habe etwas begriffen: Das was ich habe, ist eine Krankheit – eine Krankheit, die jeden treffen kann – eine „ZWANGSERKRANKUNG“. Ich arbeitete mich mit Hilfe der Therapie zurück ins Leben und versuche die Krankheit – das besagte Monster zu besiegen. Ich bin auf dem besten Weg, aber „geheilt“ bin ich (noch) nicht. Leider lauert das Monster immer noch überall, aber ich bin in der Zwischenzeit so gestärkt, dass ich ihm immer öfter widerstehen kann und selbst bestimme, was ich tun will und was nicht.
Kontakte zu anderen fand ich über den oben erwähnten Zeitungsartikel, über ein Internetforum – das es leider nicht mehr gibt – und über Selbsthilfegruppen. Die erste Gruppe fand ich bei HSSG – Hilfe zur Selbsthilfe für seelische Gesundheit. Eine gut funktionierende Gruppe, wo sich Leute treffen, die seelische Erkrankungen hatten oder haben. Man kann alles ansprechen und findet ein offenes Ohr und Verständnis. Der Leitspruch vom HSSG: „Wenn es dir schlecht geht, brauchst du die Gruppe, wenn es dir gut geht, braucht die Gruppe dich.“ Bei „pro mente“ Wien fand ich eine Selbsthilfegruppe für Zwangserkrankte. Genau das inspirierte mich, eine eigene Gruppe in Mödling (N.Ö.) zu gründen. Und zwar für Betroffene als auch deren Angehörige, weil ich aus meiner eigenen Erfahrung weiß, wie schwer es für Partner, Eltern, Kinder…ist, mit einem Zwangserkrankten zusammenzuleben.
Zum Abschluss muss ich es noch einmal ganz deutlich sagen: Ein Zwangserkrankter ist nicht verrückt oder geisteskrank. Er weiß genau, dass es unsinnig ist, was er tut. Er kann für diese Erkrankung nichts. Wichtig ist es, diese Erkrankung zu erkennen (am Anfang ist sie ja oft noch sehr harmlos) und sich dann sofort in professionelle Hände zu begeben. Sobald man selbst das Gefühl hat, Dinge tun zu „müssen“ (obwohl man weiß, dass das Unsinn ist), handelt es sich nicht mehr um harmlose Gewohnheiten sondern um einen Zwang.
Zwang ist therapierbar. Wie bei jeder Krankheit heißt es auch hier: Die Heilungschancen sind umso größer, je früher man mit der Therapie beginnt.

(Ich habe der Einfachheit wegen, die männliche Form „der Zwangserkrankte“ geschrieben. Selbstverständlich ist auch immer „die Zwangserkrankte“ gemeint.)

Margit P.
m.selbsthilfe-zwang@gmx.at